Startseite » Artikel »

An die Drohnen, fertig, los!

An die Drohnen, fertig, los!

Artikel
An die Drohnen, fertig, los!

Drohnen, die wie fliegende Untertassen über dem Weinberg kreisen. Das mutet fast ein bisschen gespenstisch an. Dennoch gibt es gute Gründe, sich mit diesem Anblick dauerhaft anzufreunden.more

«Bacchus amat colles» – «Bacchus liebt die Hügel». Bacchus dürfte mit seiner Liebeserklärung ziemlich alleine dastehen. Die lieblichen Hügel zeigen sich nämlich mitunter als brutal steile Rebberge – Reben am Berg eben. Einmal von ganz oben nach unten geschaut, vielleicht sogar eine diesem Hang abgetrotzte Flasche getrunken – ein unvergesslicher Moment.

Hingegen entweicht dem, der hier seinen Arbeitsplatz hat, doch immer wieder mal ein derber Fluch Richtung Bacchus. Weniger die nicht von der Hand zu weisende Gefahr des Abrutschens ist der Grund – Anschnallen ist Pflicht –, vielmehr die wortwörtlich in die Knochen gehende Arbeit. Schlichtweg jeder Arbeitsgang braucht viel mehr Zeit, kostet viel mehr Mühe und endet in einem Vielfachen an Kosten. Das beginnt mit dem Schneiden der Reben zu Beginn eines neuen Weinjahres und unzähligen Spritzungen und reicht bis zum grossen Finale, der Lese. Unzählige Male im Jahr kraxeln in dieser Zeit die Mitarbeiter die Hänge hoch und runter. So beeindruckend Dézaley im Waadt, Bremmer Calmont an der Mosel oder der Dürnsteiner Kellerberg sind, so beschwerlich sind sie für die Winzer. Doch es scheint sich etwas zu verändern. In den Weinbauinstituten weltweit arbeitet man an der Zukunft der Steillage. Captain Kirk und sein Ingenieur Scotty im Weinberg, demnächst.

Der Pflanzenschutz gehört in den Steillagen zu den zeitaufwendigen Arbeiten. Während eines Weinjahres verbringt der Winzer zu Fuss zahllose Stunden zwischen den Zeilen, um notwendige Spritzungen durchzuführen. Hand- oder besser Beinarbeit ist da angesagt. Die Alternative ist ein Hubschrauber – nichts Neues, nur eben auch eine sehr aufwendige, lärmende und kostenintensive Alternative. Leisten können sich das nur wenige, von der notwendigen Genehmigung der Behörden mal ganz abgesehen. Davon abgesehen ist das präzise Bearbeiten kleiner Parzellen schwierig, wenn nicht unmöglich. Liegt dann noch eine biologische neben einer konventionell bewirtschafteten Parzelle, ist dringender Gesprächsbedarf unter den Besitzern vorhanden. Ganz ungefährlich ist der Einsatz von Hubschraubern auch nicht, von Unfällen liest man immer wieder mal. Aus diesen gut nachvollziehbaren Gründen sind Hubschrauber nur für wenige Weingüter eine brauchbare Alternative. Die Vermutung, sie setzen schon bald Flugrost an, ist durchaus begründet.

Raumschiff Enterprise

Doch Abhilfe ist schon im Anflug – besser gesagt im Tiefflug. Weinbergdrohnen sollen die Weinlandschaften mittelfristig beherrschen. Vorstellen muss man sich die Drohnen wie Modellflieger, und zwar in allen erdenklichen Varianten: Miniflugzeuge, Minihelikopter oder sogenannte Quadrocopter. Ausgerüstet mit hochsensibler Technik wie hochauflösenden Kameras und leistungsfähiger Informationstechnologie. Es stellt sich die Frage, wie lassen sich diese Drohnen steuern? Ist der Weinbergmanager mit Joystick und coolem Baseballcap am schrägen Hang stehend bald Normalität? Jein. Die Steuerung, wie man sie von den Modellfliegern kennt, ist die eine Variante. Die zweifelsohne komfortablere und effektivere Variante ist jedoch der Autopilot, der vom Start bis zur Landung via GPS alles selbstständig erledigt. Er lässt die Drohnen von wenigen bis zu 100 Metern über den Weinstöcken hinwegschweben. Dabei legen die Weinbergdrohnen die Flugroute selbstständig so fest, dass sie die bestmögliche und somit vollständige Erfassung der Rebberge gewährleistet. Am Boden werden dann die Luftaufnahmen per Software in eine hochauflösende Landkarte integriert. Man stelle sich das vor: Beim gemütlichen Spaziergang durch die Weinberge seines Vertrauens jagen UFOs einen Meter über die Rebzeilen und nebeln diese auch noch ein. Den Joystick haltenden Winzer in der Nähe sucht man vergebens.

Weingut Ryan Kunde

Die zweite Funktion von Weinbergdrohnen, die Beschaffung von Informationen, kann man im Sonoma Valley nördlich von San Francisco schon im Einsatz sehen. Winzer Ryan Kunde ist seinen Kollegen etwas voraus – er arbeitet auch als Drohnen-Operator. Man muss ihn suchen, hat man ihn dann endlich gefunden, macht sich leichte Enttäuschung breit. Keineswegs die zu erwartende Hightech-Winery, keine Roboter, die die Besucher willkommen heissen. Dass er sich seit ein paar Jahren intensiv mit Weinbergdrohnen beschäftigt und diese mittlerweile routinemässig einsetzt, sieht man dem Winzer nicht an. Für Ryan Kunde sind sie ein überzeugendes Instrument, zumal erheblich günstiger als Satellitenaufnahmen, mit denen er ähnliche Informationen abrufen könnte. Inzwischen gibt er sein umfangreiches Wissen auch an Kollegen weiter. Geheimniskrämerei ist seine Sache nicht, er beantwortet offen und ehrlich alle Fragen.

Seine simple Antwort auf die Frage «Warum Weinbergdrohnen?» klingt so logisch wie entwaffnend: Er will bessere Weine erzeugen und dies kann er durch detaillierte, zeitnahe Informationen aus dem Rebberg viel effizienter. Es klingt futuristisch, was ihm nach einem Flug der Weinbergdrohne alles an Informationen zur Verfügung steht. Wo gibt es beispielsweise Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung der Rebstöcke? Sogar Schädlingsbefall, ein immer wichtigeres Thema im Weinberg, der oftmals mit blossem Auge in seinen Ausmassen nur schwer abschätzbar ist, lässt sich anhand der Flugdaten erkennen. Doch das ist noch nicht alles, via Multispektralaufnahmen können gesunde von gestressten Rebstöcken unterschieden werden. Nährstoffgehalt? Auch dieser ist mithilfe der Drohnen fast bis auf den Rebstock genau abrufbar. Mit solchen präzisen Informationen ist es dem Winzer möglich, schnell auf kurzfristige Veränderungen im Rebberg zu reagieren. Er kann die Bewässerung für eine bestimmte Zone innerhalb einer Parzelle erhöhen. Der Nährstoffgehalt ist dezidiert dem jeweiligen Zustand einzelner Parzellen angemessen einstellbar. Die einzusetzenden Mengen an verwendeten Mitteln, gleichgültig ob konventionelle oder biologische, sind logischerweise um ein Vielfaches geringer, die Anwendung ist präziser. Leiser als ein Hubschrauber sind sie auch noch. Denkt man weiter, ergeben sich schier unzählige Möglichkeiten, die Qualität im Rebberg zu optimieren, und das sollte in der Flasche schmeckbar sein. Nur darum geht es letztendlich.

Gerne erzählt Ryan Kunde die Geschichte, als er nach einer Frostnacht die Drohne über einen betroffenen Weinberg fliegen liess. Von der Strasse betrachtet sah alles noch recht gut aus, es war nichts wirklich Gravierendes zu erkennen. Auf den Bildern der Drohne waren dann recht deutlich immense Schäden erkennbar.

Knackpunkte

Wird der Drohneneinsatz in naher Zukunft Normalität, dann wird der Gesetzgeber die Vorschriften den Gegebenheiten anpassen müssen. Ist ein amtlicher Führerschein mit allem Drum und Dran nötig? Oder kann jeder nach Lust und Laune mit seiner Weinbergdrohne die Lüfte unsicher machen? Heute schon muss in der Schweiz ein Antrag bei den Behörden gestellt werden und die maximale Flughöhe für unbemannte Drohnen liegt bei 100 Metern.

Von einer Serienreife kann man bei den ohne Last fliegenden Drohnen schon sprechen (Stand 2014). Noch nicht ganz dieses Stadium haben die Drohnen, welche Flüssigkeiten transportieren und ausbringen sollen, erreicht. Sieht man sich jedoch die Forschungsberichte der deutschsprachigen Weinbauinstitute wie Changins, Geisenheim und Wädenswil an, dürfte auch dies sehr bald erreicht sein.

Zwei Einsatzgebiete sind es also, für die Weinbergdrohnen prädestiniert sind. Beim Pflanzenschutz, dem Spritzen von Mitteln gegen Rebkrankheiten, liegt das eine Haupteinsatzgebiet von Weinbergdrohnen. Das andere ist die Beschaffung von Informationen. Den Zustand der Beeren erfassen oder geschädigte Zonen exakt zu erkennen, ist heute schon Realität. Rebschnitt, Laubarbeiten während des Vegetationszyklus oder auch die Lese sind via Weinbergdrohne auch in weiter Zukunft wohl nicht realisierbar. Solche oder ähnliche Arbeiten im Weinberg benötigen auch in Zukunft noch den Menschen. Ryan Kunde hat das Wichtigste schon gesagt: Er will bessere Weine produzieren und die Weinbergdrohne ist ihm das hilfreiche Mittel zum Zweck.

Text: Sigi Hiss, Foto: Ryan Kunde

Zum Newsletter anmelden
  • Hidden
  • Hidden