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Schweizer Weingeheimnis: WEINWISSER im Gespräch mit Martin und Thomas Donatsch

Schweizer Weingeheimnis: WEINWISSER im Gespräch mit Martin und Thomas Donatsch

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Schweizer Weingeheimnis: WEINWISSER im Gespräch mit Martin und Thomas Donatsch

Martin und Thomas Donatsch sind ein Dream Team. Seit 2006 führt Sohn Martin mit Erfolg das Familienweingut und Vater Thomas die Winzerstube Zum Ochsen in Malans im Schweizer Kanton Graubünden. Dabei punkten die Donatschs im Zusammenspiel mit der Erfahrung der älteren Generation und dem Willen zur Innovation bei der jüngeren.

Ganz offensichtlich machen sie dabei eine Menge richtig, schliesslich hat WEINWISSER-Urgestein René Gabriel erst kürzlich zwei der 2013er Uniques der Domaine Donatsch mit 19 und 20 Punkten bewertet. Besser geht es nicht! WEINWISSER Yves Beck hat Martin und Thomas Donatsch besucht und im Interview viel darüber erfahren, was den Erfolg der Schweizer ausmacht.

Yves Beck: Martin, warum fühlt sich der Pinot Noir derart wohl im Bündnerland?

Martin Donatsch: Das liegt vor allem am sehr kalkhaltigen Boden. Wir liegen hier eigentlich zu hoch für Rotwein, aber wir haben den Föhn, einen sehr trockenen Herbst, relativ späten Austrieb, aber auch eine späte Ernte. Pinot braucht ein spezielles Terroir und ein eher kühles Klima. Das findet er hier im Bündnerland, einer der besten Pinot Terroirs der Welt.

Beck: Es ist also gar nicht so schwer, im Bündnerland einen guten Pinot zu machen. Aber was ist das Besondere an Ihrem im Vergleich zu anderen?

Martin Donatsch: Wir achten besonders darauf, in jedem Rebberg Qualität zu pflanzen, das machen längst nicht alle so. Einige Winzer haben etwa in den tiefen Lagen Burgunderklone gesetzt. Die sind früher reif sind und müssen entsprechend früher geerntet werden, was nicht optimal ist. In unserem Betrieb arbeiten wir immer weniger mit Klonen, sondern bilden Selektionen aus den eigenen Reben in den richtigen Lagen, so dass wir möglichst keine Korrekturen im Keller machen müssen. Für einen großen Wein braucht es vor allem die Trauben. Einen guten Wein kann man im Keller erstellen, aber ein großer entsteht im Rebberg.

Beck: Sie arbeiten also verstärkt mit eigenen Selektionen?

Martin Donatsch: Alles, was wir neu pflanzen besteht aus eigenen Selektionen. Wir haben das Glück, dass mein Vater Thomas schon früh Burgunderklone gesetzt hat, wenn wir jetzt wieder Selektionen aus diesen Klonen machen, haben wir trotzdem eine Vielfalt und vor allem sind diese Reben schon akklimatisiert. Wenn man aber mit einem neuen Klon in eine Region kommt, ist es wie bei einem Menschen der auswandert: Es braucht eine Generation bis er sich dort zu Hause fühlt. Die zweite Generation fühlt sich dann integriert.

Beck: Stichwort Klimaerwärmung. Inwieweit macht sie sich an den Reben bemerkbar?

Martin Donatsch: Die Klimaerwärmung nehmen wir natürlich wahr, denn sie hat zu Verschiebungen geführt. Früher waren die tiefsten und die ältesten Lagen unsere besten. Die sind zwar heute immer noch sehr gut, aber wir haben jetzt höhere Parzellen, die genau dieselbe Qualität erbringen. Fünfzig Meter Höhendifferenz bedeutet 1 Promille Unterschied. Da wir wärmere Jahre haben, verschieben sich die eher optimalen Pinot-Regionen weiter nach oben. Heute pflanzen wir die Burgunder-Klone eher in den höheren Lagen, denn die sind früher reif. In den tiefen Lagen pflanzen wir die später reifenden Schweizer Klone.

Beck: Donatsch ist qualitativ ja schon seit langem an der Spitze der Bündner Herrschaft. Eigentlich könnten Sie sich jetzt doch einfach zurücklehnen und genießen…?

Martin Donatsch: Ja und nein. Ich bin wie mein Vater. Er hat die ganz große Revolution gemacht, aber mein Großvater war auch schon innovativ – er war einer der ersten, die mit Traktor arbeiteten. Mein Vater hat im Qualitätsbereich eine sehr wichtige Rolle in der Schweizer Weinszene gespielt. Sehr früh ist er ins Burgund gereist und hat von dort neue Ideen in die Schweiz gebracht. Ich bin daher also auch in große Fußstapfen getreten. Das hat immer Vor- und Nachteile, denn die Erwartungen sind dementsprechend hoch. Aber mein Vater und ich kommen sehr gut miteinander aus.

In vielen Betrieben steht die neue Generation im Schatten und die alte in der Sonne. Oder die Jungen stellen alles auf den Kopf. Mein Vater und ich, wir haben ein sehr ähnliches Qualitätsdenken und eine ähnliche Philosophie. Das, was mein Vater gemacht hat, respektiere ich und habe es nie infrage gestellt. Seinerseits hat er mich machen lassen. Es ist also eine Win-Win-Situation. Er berät mich, wenn ich Fragen habe. Kurz gesagt, der Generationswechsel war vorbildlich bei uns. Mein Erfolg ist natürlich damit verbunden, dass mein Vater mir den Rücken stärkt und dass ich einige Innovationen eingeführt habe, ohne zu viel zu ändern.

Beck: 75 Prozent Ihrer Weine werden in der Gastronomie verkauft. Warum so viel?

Thomas Donatsch: Mir ist das wichtig. Ich habe lange im Hotelfach Prüfungen abgenommen und hatte Jahrzehnte mit Leuten aus der Gastronomie zu tun. Vor 30 oder 40 Jahren hieß es: Schweizer Wein ist gut für einen Aperitif, zum Essen muss es aber ein Wein aus Italien oder Frankreich sein. Ich habe dann den Leuten erklärt, dass unsere Weine besser sind. Dank Ihrer Finesse und Struktur sind es anpassungsvollere Weine. Gerade beim Pinot Noir ist alles möglich.

Es gibt keine andere Traubensorte, die es ermöglicht, vom besten Champagner bis zum teuersten Rotwein der Welt zu produzieren. Alles, was aus Pinot möglich ist, haben wir gemacht. Wir haben sehr viel mit Spitzenköchen zusammengearbeitet, auch aus dem Ausland, und haben anhand ihrer Küche die Weine zusammengestellt. Dabei habe ich möglichst viele Schweizer Weine ausgewählt. Ich habe stets versucht, die Schweizer Weine optimal in Menüs einzubauen. Dadurch haben Spitzenköche und Sommeliers vermehrt Schweizer Weine empfohlen. Sommeliers sind wichtige Leute, denn sie verkaufen und erklären den Wein. Die Gastronomie ist die ideale Plattform für Wein.

Beck: Apropos Essen: Wie flexibel sind die Pinot-Sorten?

Thomas Donatsch: Alle Pinots und Chardonnay, welcher ja auch zur Pinot-Familie gehört, sind sehr dankbare Weine für den Sommelier, weil sie anpassungsfähig sind. Ein schöner Pinot Blanc zum Beispiel ist nie falsch; dass ist wie ein schwarzer Anzug, damit bist du nie fehl am Platz.

Beck: Sie machen sehr viel für den Schweizer Wein und die Region, aber international passiert eher wenig, kaum Export. Warum ist das so?

Thomas Donatsch : Der Grund ist einfach: Wir sind klein. Wir haben so viel Hotellerie und Gastronomie im Kanton Graubünden, dass wir ja nicht mal den Bedarf unserer Region decken können.

Martin Donatsch: Wir haben hier viel Tourismus. Im Prinzip wäre es nicht einmal möglich, dass jedes Bündner Restaurant Bündner Wein anbietet. Wir sind einfach eine kleine Weinregion mit unseren 400 Hektar. Wir haben so einen tollen Absatzmarkt, dass jedes weinproduzierende Land gerne möglichst viel Wein in der Schweiz verkaufen möchte. Aber wir haben ja den Markt direkt vor der eigenen Tür. Daher fragen wir uns, warum wir in den Export gehen sollten.

Die Schweiz hat das Bankgeheimnis Stück für Stück aufgegeben, daher möchten wir unser Weingeheimnis noch etwas aufbewahren. Es ist auch schön für die Touristen, denn sie erwarten nichts vom Schweizer Wein. Wenn man ein großes Renommee hat, ist es schwieriger, die Leute haben hohe Erwartungen.

Beck: Ich sehe hier im Weingut viele leere Flaschen großer Weine: Rousseau, Jayer, Mouton-Rothschild, Cheval Blanc. Ist das die Quelle der Inspiration?

Martin Donatsch: Wenn man in der Spitze mitspielen will, muss man die Spitze auch kennen. Die Weine können nicht, von der Stilistik her, Richtung Burgund gehen, wenn Du keinen Burgunder trinkst. Ein Koch wird kein großer Koch, wenn er die besten Köche nicht besucht hat.

Beck: Von Mouton-Rothschild können Sie sich allerdings nicht wirklich inspirieren lassen: Sie haben weder Cabernet Sauvignon noch Merlot?

Martin Donatsch: Mag sein, aber wir haben es probiert! Wir haben gute Cabernets gemacht, aber keine großen! Das ist für mich ein wesentlicher Unterschied. Wir wissen heute, dass karge kalkhaltige Böden, die für Pinot Noir optimal sind, nicht wirklich für Cabernet Sauvignon geeignet sind. Überall wo es Kalk gibt, etwa in Pomerol oder Saint-Émilion wird eher Merlot angebaut. Wenn wir hier einen der besten Pinot machen können, hat es keinen Sinn einen Cabernet zu produzieren, wo Tausende besser sind.

Was uns interessiert, sind große, zeitlose, beeindruckende Weine, die für die Weingenießer viel spannender sind. Inspirierend ist jeder große Wein. Inspiration konnte ich auf Weingütern der ganzen Welt sammeln, sei es in Tasmanien, bei Rust en Vrede in Stellenbosch, bei Stephan von Neipperg in Bordeaux oder bei Miguel Torres in Spanien. Was Weinbereitung und Marketing angeht, habe ich viel in Bordeaux gelernt. Im Burgund habe ich unter diesem Aspekt weniger gelernt, auch wenn unsere Philosophie der des Burgunds entspricht. Die Erfahrung, die ich in Sachen Marketing im Bordeaux sammeln konnte, ist einmalig.

Beck: Am Mondial du Pinot haben Sie 2010 und 2011 den Preis Champion du Monde des Producteurs de Pinot Noir gewonnen. Was sind solche Auszeichnungen wert?

Thomas Donatsch: Ganz ehrlich, brauchen tue ich die nicht. Solche Titel tun aber gut, es ist eine Bestätigung, einerseits für uns aber auch für unsere Kunden. Wir haben eine sehr gute Kundschaft, die besonders viel von Wein versteht. Es ist wichtig, dass die ab und zu etwas über uns in den Medien lesen und damit wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Beck: Eine Weltmeisterschaft, bei der Deutschland, Brasilien, Spanien, Argentinien u.v.a. fehlen, kann ein Sieger dort wirklich Weltmeister werden?

Martin Donatsch: Ich verstehe, was Sie meinen. Die Frage ist absolut berechtigt. Der Titel Weltmeister ist vielleicht nicht ganz glücklich, denn bei diesem Wettbewerb sind vor allem Schweizer vertreten, auch wenn Weine aus dreißig verschiedene Nationen verkostet wurden. Ich fühle mich nicht als bester Pinot Noir-Produzent der Welt. Ich kenne viele, die besser sind. Deshalb nehme ich schon lange nicht mehr an Wettbewerben teil, wo man Goldmedaillen gewinnen kann. Das habe ich früher gemacht, aber das Diplom ist dann gleich im Papierkorb gelandet.

Bei einem Titel wie Winzer des Jahres oder Weltmeister ist es was anderes, das reflektiert unsere Arbeit und unser Niveau. Es gibt Wettbewerbe, wo bis zu 20 Prozent Goldmedaillen verteilt werden. Ist für mich also nichts Spezielles. Den Titel Weltmeister kriegt nur einer.

Thomas Donatsch: Im Nachgang zum Weltmeistertitel haben uns Journalisten aus dem Burgund gefragt, was wir anders machen. Es ist ganz einfach, wir versuchen, den Wein genau so wie im Burgund zu machen. Natürlich wird er nicht genau so. Er reift oder entwickelt sich schneller als in der Côte de Nuits.

Beck: Sie legen aber schon viel Wert darauf, dass der Pinot Noir Zeit braucht?

Martin Donatsch: André Noblet, ehemaliger Kellermeister von Romanée-Conti, hat mir mal gesagt: Ein Drittel der Qualität ist Zeit. Das gilt eigentlich für alles. Wir haben die längste Ausreifzeit für Trauben in Europa und ernten zur gleichen Zeit wie der Clos St-Jacques im Burgund. Durch die lange Ausreifzeit entsteht ein langsames verhaltenes Potenzial. Deshalb sollten wir unsere Weine noch länger ausbauen und dann erst nach sechs Jahren trinken. Die guten Schweizer Weine werden zu früh getrunken.

Thomas Donatsch: Das hat aber auch mit unserem Schweizer Staat zu tun. Der hat sich da ein falsches Bild gemacht. Wenn die Alkoholsteuer erst fällig wäre, wenn der Wein verkauft ist, dann gäbe es die Möglichkeit, Weinüberschüsse zu brennen und zu lagern, um etwa einen 12-jährigen Branntwein zu produzieren. Beim Käse ist es ähnlich: Ein 5-jähriger Sbrinz entspricht dem besten Parmesan. Aber das wird vom Staat nicht unterstützt. Der will möglichst schnell Geld, ein Problem, das wir lösen müssen.

Beck: Pinot Noir spielt bei Ihnen eine gross Rolle. Diese Rebsorte war schon immer en vogue und ist immer noch aktuell. Wie sieht die junge Kundschaft das?

Martin Donatsch: Für jeden, der etwas von Wein versteht, ist Pinot Noir immer spannend. Selbst wenn Du einen berühmten Weinproduzenten in Bordeaux nach dem besten Rotwein der Welt fragst, fällt die Antwort immer auf Burgunder. Für den Weinproduzent ist Pinot Noir die größte Herausforderung. Jeder Kellermeister, jeder Önologe träumt davon, einmal im Leben einen großen Pinot Noir herzustellen. Es gibt keine Rebsorte, die fragiler ist. Die kleinste Unreinheit kann man nicht mehr kaschieren, was bei einem Cabernet oder Merlot leichter fällt.

Thomas Donatsch: Genau deswegen sollte man nie einen Verschnitt mit Pinot Noir machen. Für mich ist ein Pinot nur schön, wenn er hundertprozentig bleibt. Ein Pinot mit beispielsweise 10 Prozent Syrah, was ja erlaubt ist, ist entfremdet. Dann ist er nur noch ein schöner Rotwein.

Beck: Letzte Frage. Wer große Weine macht und gerne kocht, ist oft auch musikalisch. Wie musikalisch sind Vater und Sohn Donatsch?

Martin Donatsch: Mein Vater ist ein sehr guter Musiker, er spielt mehrere Instrumente, unter anderem Klavier und Saxophon. Er hätte statt Winzer ebenso gut Musiker werden können.

Thomas Donatsch: Ich liebe Elvis Presley und die Beatles. Ich selber spiele sicher 100 Stück von denen. Musik ist auch ein wesentlicher Grund, weshalb ich in der Schweiz geblieben bin. Wir hatten eine ziemlich gute Band hier und daher wollte ich nie auswandern, obwohl ich einmal die Führung von Beringer in den Vereinigten Staaten hätte übernehmen können. Ich wollte lieber einen kleinen Betrieb führen und meinen Hobbys nachgehen können. Unsere Band durfte sogar mal bei den Rolling Stones vorspielen. Aber wenn ich sehe, wie die heute aussehen, bin ich doch froh, dass ich mich für den Winzerberuf entschieden habe.

Martin Donatsch: Ich mag elektronische Musik, DJ Antoine ist ein guter Freund von mir und war sogar Pate von unserer Cuvée Unique. Grundsätzlich bin ich sehr offen für Musik: Ob klassisch oder elektronisch spielt keine wesentliche Rolle. Aber die Qualität muss stimmen. So ist es auch im Leben: Ob Wein, Essen, Autos, Reisen, die Qualität ist das, was die Leute begeistern kann.

Beck: Ein tolles Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Yves Beck, Foto: Nicola Pitaro/Weingut Donatsch

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