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Terroir Moselle

Terroir Moselle

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Terroir Moselle

Dass Lothringen einmal ein grosses Weinanbaugebiet war, würden die meisten Weinfreunde heute wohl eher im Reich der Phantasie ansiedeln. Dennoch gibt es glaubhafte Aufzeichnungen, nach denen das nordöstliche Département Frankreichs um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit 35.000 Hektar mehr Reben im Anbau hatte als seine bekannteren Nachbarn Elsass im Westen, Burgund im Süden und deutsche Mosel im Norden. Kann das wirklich sein? Ja, es kann.

Denn nur wenige Kilometer westlich von erstreckte sich die noch grössere Weinbauregion der Champagne und genau dort soll damals ein Grossteil der lothringischen Traubenerzeugung seiner endgültigen Bestimmung zugeführt worden sein.

Mit der Einführung der Appellation Controlée-Bestimmungen wurde dieser Praxis zwar endgültig ein Riegel vorgeschoben, aber der Zusammenbruch der regionalen Weinbauindustrie hatte schon lange vorher eingesetzt, zuerst mit der Ankunft von Phylloxera und Mehltau aus Amerika, dann mit einer zunehmenden Industrialisierung des Landstrichs und letztlich dem Einbruch des deutschen Marktes nach dem ersten Weltkrieg.

Spurlos von der Landkarte verschwunden sind die Vins de Moselle jedoch nicht. Verstreut zwischen Contz- les-Bains und Metz gibt es auf der westlichen Seite der Mosel 19 Gemeinden mit insgesamt 65 Hektar Weinbergen, die 2010 von VDQS auf AOC Moselle heraufgestuft wurden.

Dazu kommen noch einmal knapp über 100 Hektar der AOC Côtes de Toul, die sich zwischen den Dörfern Lucey und Bulligny ein paar Kilometer westlich der an der Mosel gelegenen historischen Stadt Toul erstrecken. Obwohl ein Grossteil der Gesamtproduktion von ungefähr 1 Million Flaschen seinen Absatz in Lothringen selbst findet, bemüht man sich dennoch darum, als Weinbauregion auch über die lokalen Grenzen hinaus Profil zu zeigen.

Zu diesem Zweck haben sich die Winzervereinigungen der ODG Côtes de Toul sowie OGD Moselle mit beruflichen Verbänden im Bereich Weinbau und Tourismus aus Luxemburg und von der deutschen Mosel in der Interessenvereinigung «Terroir Moselle» zusammengetan. Mit dem Projekt will man die gemeinsame Tradition des bis zu den Römern und Kelten zurückreichenden Weinhandwerks wiederbeleben und dem lange im touristischen Dornröschenschlaf erstarrten Dreiländereck neuen Atem einhauchen.

Dass zum Beispiel Metz mit seiner 3000-jährigen Geschichte 500 Jahre älter ist als Trier oder die Ursprünge der Auxerroisrebe auf eine Versuchsanstalt in der gleichen Stadt zurückgehen sollen – hätten Sie sie es gewusst?

König der Traubensorten ist an der französischen Mosel nicht der Riesling, denn im Gegensatz zu den deutschen Schieferlagen bestimmen hier dunkler Mergel und Kalkgesteine aus den erdgeschichtlichen Dogger- und Malmperioden die Bodenformation. Dazu kommen an der Côtes de Toul im Mittelsegment noch mit Loess bedeckte Terrassensedimente.

Dieses südlichere der beiden Anbaugebiete ist fast noch bekannter für seine Mirabellen, aus denen man von Marmelade bis zu Eau-de-vie eine Vielfalt von Produkten gewinnt. Was die Trauben angeht, regiert bei den Roten unangefochten Pinot Noir, Auxerrois bei den Weisen und Gamay bei der lokal beliebten Spezialität Gris de Toul. Bei der AOC Moselle sind Pinot Noir, Pinot Gris und Auxerrois die Favoriten, aber auch Gamay, Gewürztraminer, Pinot Meunier, Rivaner (Müller-Thurgau), Pinot Blanc und Riesling dürfen verwendet werden.

20 Winzer teilen sich die Weinberge der Côtes de Toul, aber nur wenige sind von überregionaler Bedeutung. Die Domaine Laroppe in Bruley ist mit 20 Hektar nicht nur von der Grösse her die Bedeutendste, sondern kann auch mit einer fast dreihundertjährigen Weinbautradition beeindrucken.

Dass man aber auch als Neueinsteiger Erfolg haben kann, beweist im gleichen Ort die Domaine Regina, die 1997 gegründet und nach ständiger Erweiterung auf 14 Hektar erst 2009 zur Haupterwerbsquelle ihrer Eigentümer wurde. Als Dritte im Bunde muss man unbedingt noch die rührigen André et Roland Lelièvre aus dem benachbarten Lucey nennen, die mit 11 etablierten und 5 neubepflanzten Hektar ebenfalls zur Spitze der Region zählen.

Für die AOC Moselle gibt es 18 selbstvermarktende Erzeuger, aber nur ein Weingut mit mehr als 10 Hektar. Die qualifizierten Önologen Geneviève-Marie und Norbert Molozay vom Château de Vaux bewirtschaften etwa 20 Prozent der Appellation, sind aber, wenn man dem Guide Hachette Vertrauen schenken darf, nicht nur vom Volumen, sondern auch von der Qualität her das Mass aller Dinge in Sachen lothringischer Moselwein.

Bei durchschnittlich höheren Niederschlägen und kühleren Temperaturen als im benachbarten Elsass muss man ihren Mut zur rein biodynamischen Bewirtschaftung der Weinberge bewundern. Sie sind damit aber nicht allein, denn auch Andréa und Angelica Oury von der 8 Hektar-Domäne Oury-Schreiber in Marieulles und der talentierte Damien Jaspar aus dem gleichen Ort mit seiner Miniauflage von circa 6.000 Flaschen arbeiten nach diesen Prinzipien.

Verkostungsnotizen

2014 Vieilles Vignes Vins Gris AOC Côtes de Toul, Domaine Régina: 85% Gamay, 15% Pinot Noir, helles Lachsrosa. Knochentrockener Vin Gris mit verhaltener roter Johannisbeerfrucht und einem Hauch von bitteren Mandeln. Knackig und frisch.
16/20 –2016

2014 Auxerrois Préstige AOC Côtes de Toul, Domaine Régina: Immer wieder ist die Domaine für ihren Cuvée Préstige vom Guide Hachette ausgezeichnet worden und mit Anklängen von Steinobst und Grapefruit sowie einer frischen Säure bringt man hier die Stärke der Auxerrois voll zum Ausdruck. Frische mit Substanz.
16/20 –2017

2014 Saveurs d’Automne Pinot Gris Raisins sur Mûris vin de France, Domaine Régina: Restsüsse Weine sind selten in Lothringen, aber mit 40 g/l Restzucker und einer markanten Säure haben Isabelle und Jean-Michel Mangeot eine rassig-fruchtige Spätlese vom Pinot Gris realisiert.
16.5/20 –2017

2013 Gris de Toul – Les Evêques AOC Côtes de Toul, Domaine Lelièvre: Glänzend helles Rosa. Der Les Evêques ist im grossen Holzfass vergoren und ausgebaut, was in einer dezent würzigen Note zum Ausdruck kommt. Von der Stilistik her setzt man mehr auf Kraft und Körper, der durch biologischen Säureabbau etwas abgerundet wirkt. Mehr Essensbegleiter als Aperitif.
16/20 –2017

2014 Pinot Gris vin de France, Domaine Lelièvre: Ein Experiment mit dezenter Restsüsse, die gut mit der frischen Säure harmoniert. Ein leichter Aprikosenton verleiht die sortentypische Authentizität.
16/20 –2018

Cuvée Henri II, Vin Mousseux de Qualité, Oury-Schreiber: Weil man in der Champagne keine Rebparzellen erstehen konnte, siedelete die Familie Oury-Schreiber von dort 1991 nach Lothringen um, wo sie in Marieulles und Dury die gewünschten ton- und kalkhaltigen Böden für ihre Schaumweinproduktion fand. Der Henri II ist ein reiner Auxerrois, der im traditionellen Flaschengärungsverfahren hergestellt wird. Sehr hell und klar, mit lebendiger Mousse und feinen Perlen. Die Säure des Jahrgangs 2013 wurde mit einem Schwänzchen von Restzucker gut gezähmt, aber eine knackige Apfelnote sorgt immer noch für viel Frische.
16/20 –2017

2013 Les quartre éléments AOC Moselle, Oury-Schreiber: Ein traditionelles lothringisches Weisswein- Cuvée aus dem gemischten Satz von Auxerrois, Pinot Blanc, Pinot Gris und Gewurztraminer. Letztere sorgen für etwas Farbe in den Bäckchen. Sehr verhalten in der Nase gibt sich der Wein im Gaumen knochentrocken, profitiert aber von einer ausgeprägten salzigen Mineralität, feiner Aromatik und rassiger Frische.
16/20 –2016

2013 Le Petit Gris de Vezon AOC Moselles, Domaine Jaspard: Dieser Vin Gris besteht aus einem Cuvée von zwei Drittel Auxerrois und einem Drittel Pinot Noir, wobei die rote Sorte vor der Gärung einer 14-tägigen Schalenmazeration unterzogen wurde. Relativ dunkler Rosé, der mehr nach Hecken und Kräutern duftet als nach Frucht. Im Gaumen lässt eine zitronenartige Säure das Wasser im Munde zusammenlaufen, aber die wahre Stärke dieses kompromisslos trockenen Gris liegt in seiner ausgeprägten salzigen Mineralität.
16/20 –2017

2013 Cuvée Flores AOC Moselle, Domaine Jaspard: Im Edelstahl vergorener Auxerrois, der danach im grossen Holzfass ausgebaut wurde. Klar und hell in der Erscheinung, mit feinem Kräuterton in der Nase. Richtig frisch mit animierender Säure und einer tollen salzigen Mineralität.
16/20 –2016

2014 Les Gryphées AOC Moselle, Château de Vaux: 30 % Auxerrois, 30 % Müller-Thurgau, 30 % Pinot Gris, 10 % Gewurztraminer; strohfarben. Mit einem frischen und aromatischen Duft von Blumen, gemähtem Gras und einem Hauch von Thymian bringen alle Sorten ihren Beitrag ein. Wunderschön kühl im Gaumen mit rassiger Säure, einer spritzigen Komposition von Limette und Zitrone und leicht salzigem Abgang. Ein Gutswein mit phantastischem Preis-Leistungsverhältnis, EUR 7,20.
16,5/20 –2017

2004 Les Gryphées VDQS Moselle, Château de Vaux: Einfach erstaunlich, wie gut dieser Einstiegswein sich gehalten hat. Etwas abgerundeter und cremiger als der 14er, aber immer noch frisch dank einer kräftigen Säure. Im Gaumen hat Mineralität die tragende Rolle übernommen, obwohl ein delikater Geschmack von Quittenmarmelade weiterhin an Frucht erinnert.
16/20 –austrinken

2012 Pylae Pinot Gris AOC Moselle, Château de Vaux: Die Pinot Gris und Pinot Noir Flaggschiffe des Guts firmieren unter dem Namen Pylae und werden in Eichenholz aus den örtlichen Wäldern ausgebaut. Glänzendes Hellrosa mit leicht orangen Schimmer. Trotz der Jugend des Weines sind die Barriquearomen schon ziemlich gut integriert. Noten von Vanille, Süssholz, Mandarinen und Aprikosen tragen zu einer fasziniernden Duftkomposition bei. Im Geschmack gibt sich der Wein in der Frucht noch etwas zurückhaltender, überzeugt aber mit viel Körper und einer satten Fülle. Im langen Abgang setzen Nuancen von Mandelkern, Fenchel und eine feine Würze die Akzente.
17/20 –2022

Xb Extra Brut Chardonnay, Vin Mousseux de Qualité, Château de Vaux: Ein Schaumwein der Klassifizierung Vin mousseux darf weder Traubensorte, Jahrgang oder Herkunft (ausser France) verraten, aber mit viel Chuzpe haben die Molozays den Markennamen Xb Chardonnay auf dem Hauptetikett untergebracht. Das Erntedatum und die Adresse des Abfüllers auf der Rückseite lassen keine Fragen offen. Dass der Xb Extra brut (des Jahrgangs 2012) im traditionellen Flaschengärungsverfahren erzeugt wurde, ist überhaupt nicht erwähnt. Diese Erkenntnis trauen die Produzenten dem Gaumen ihrer Kunden zu. Helles Gold mit leichtem Bronzeschimmer, lebendige, feine Mousse. Der Duftreigen wird von einem zart-nussigen Aroma eröffnet und mit leichten Anklängen grüner Früchte und einem Hauch von Pfeffernuss sublimiert. Im Gaumen ist der Geschmack frischer Äpfel mit einer knackigen Säure unterlegt, und trotzdem kann man sich auch an einer cremigen Textur erfreuen. Dazu kommen ein fein nussiger Ton und eine dezente Briochenote, die auch einem Champagner gut zu Gesicht stehen würde. Schaumwein aus Lothringen par excellence!
17,5/20 –2020

2012 Les Clos Pinot Noir AOC Moselle, Château de Vaux: Auch mit diesem Zweitwein zeigen die Molozays, welches Potential in ihren Pinot Noirs steckt. 18 Monate in neuen Eichenfässern haben dem Les Clos eine Würze und Struktur verliehen, die sich nur mit grosser Substanz an Frucht und kräftiger Säure erzielen lassen. Wenn vielleicht im Moment das Holz noch etwas im Vordergrund steht, kann man bei der durch niedrige Erträge erzielten Konzentration von einer längeren Entwicklungsphase ausgehen.
16,5/20 –2020

2005 Pylae Pinot Noir VDQS Moselle, Château de Vaux: Ziegelrot mit ockerfarbenen Reflexen. Kann trotz seiner 10 Jahre immer noch beeindrucken mit einer erstaunlichen Frucht von Kirschen und Himbeeren, die durch herbstliche Reifenoten von Rauch und Waldlaub perfekt ergänzt werden. Dazu gesellt sich noch die Würze eines 16-monatigen Ausbaus in Barriques aus einheimischer Eiche, die mit Anklängen von Tabak, Zigarrenkiste und Kaffee zum Ausdruck kommt. Sensationell!
17,5/20 –2017

Text und Foto: Michael Schmidt


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