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Weinwisser fragt nach: Fabrizio Bindocci über Brunello di Montalcino

Weinwisser fragt nach: Fabrizio Bindocci über Brunello di Montalcino

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Weinwisser fragt nach: Fabrizio Bindocci über Brunello di Montalcino

WEINWISSER fragt nach: Fabrizio Bindocci, Präsident des Consorzio del Brunello di Montalcino, steht  Rede und Antwort über die Erfolge und Skandale des Brunello di Montalcino. Das Interview führte Dr. Stefan Krimm.

WEINWISSER: Der Brunello di Montalcino hat in Italien in den letzten Jahrzehnten einen fast unvergleichlichen Erfolg erlebt und ist zu einer Qualitäts-Ikone geworden. Wo steht er Ihrer Meinung nach heute im Konzert der größten italienischen Rotweine?

Fabrizio Bindocci: Sicherlich an der Spitze. In Montalcino wird ein System angewandt, das funktioniert und das in der Lage war, eine Marke von uneingeschränktem Wert auf dem internationalen Markt durchzusetzen. Die kontinuierliche Suche nach der Exzellenz seitens der Winzer von Montalcino war das Erfolgsrezept und hat dem Brunello eine Spitzenposition im Panorama der internationalen Weine eingebracht. Die nachdrückliche Präsenz von Seiten der ilcinesischen Erzeuger bei allen hochrangigen Veranstaltungen hat eine starke Erwartungshaltung entwickelt, die auf dem önologischen Sektor unvergleichlich ist.

WEINWISSER: Was macht den Brunello di Montalcino unverwechselbar? Welche Alleinstellungsmerkmale prägen ihn?

Fabrizio Bindocci: Aufgrund des Terroirs kann der Sangiovese hier das Beste von sich geben. Ein ganz besonderes pedoklimatisches Umfeld schafft die Voraussetzungen für lang heranreifende Weine. Zu verdanken ist das der Bodendrainage, dem reichhaltigen Bodenskelett und der geringen chemischen Fruchtbarkeit, die eine mäßige Vegetationsentwicklung herbeiführt. Die wahre Wertschöpfung besteht jedoch im Know-how der Erzeuger und ihrer Fähigkeit, in harter Arbeit jahrzehntelange Erfahrungen mit notwendigen Innovationen zu verbinden. Dabei werden die traditionellen Werte mit dem Respekt für das Territorium und dem Schutz des natürlichen Gleichgewichtes vereint. Das ist der wahre Grund, warum der Brunello die internationale Führungsspitze erobert hat.

WEINWISSER: Wohin geht der Trend in der Auseinandersetzung zwischen muskulösen Schwergewichten und eleganten, nuancierten Weinen?

Fabrizio Bindocci: Häufig sind diese Differenzen auf die Ausprägungen der Jahrgänge zurückzuführen. In den letzten Jahren wird versucht, eine stärkere Ausgewogenheit zu erzielen zwischen Weinen, die sich in großen Jahrgängen konzentriert zeigen, dabei mehr als nur reine Muskelmasse haben, und solchen, die sich in anderen Jahrgängen weniger kräftig, dafür elegant und mit großer Finesse präsentieren.

WEINWISSER: Es wurde kritisiert, dass die Lagen von Montalcino zu unterschiedlich seien, um die verschiedenen Weine unter dem gleichen Namen abzufüllen. Vermisst wurde eine Lagen-Klassifikation wie in Frankreich (Grand cru, Premier cru etc.). Wie ist hier der Diskussionsstand?

Fabrizio Bindocci: De facto besteht in Montalcino bereits eine natürliche Gebietsunterteilung: Es wird nur auf 3.000 (davon allein 2.000 Brunello) von 24.000 Hektar Wein angebaut. Wenn ein Weinbaubetrieb Weinberge in unterschiedlichen Lagen oder Höhenlagen besitzt, erfolgt eine Mischung der Trauben zur Erzielung von Struktur, Duft, Eleganz und Säuregehalt.

WEINWISSER: Ausgehend von gewissen Moden im Bereich der Super-Tuscans wurde auch in Montalcino seit den 1990er Jahren verstärkt das Barrique eingesetzt. Wie stehen die Winzer heute dazu? Beeinträchtigt es nicht die unverwechselbaren Besonderheiten des Brunello?

Fabrizio Bindocci: Ich bin mit dieser Behauptung nicht einverstanden, da die meisten Erzeuger Fässer verwendet haben und in der Hauptsache weiterhin verwenden. Abgesehen davon besitzt jeder Weinbaubetrieb die technischen und beruflichen Kenntnisse, um das Holz, in welcher Form auch immer, korrekt zu verwenden. Wichtig ist es, einen großartigen Sangiovese heranreifen zu lassen und dessen Authentizität und Besonderheit hervorzuheben.

WEINWISSER: Wie ist der Stand der Diskussion bezüglich des Erfolgs der Denomination Sant‘ Antimo? Wird noch über die Schaffung einer Denomination Montalcino für einfachere Weine nachgedacht?

Fabrizio Bindocci: Von unserer Seite aus besteht keine Absicht, eine neue Bezeichnung Montalcino zu schaffen. Unter der Bezeichnung Sant’Antimo sind circa 480 Hektar Weinberge mit roten und weißen Trauben eingetragen. Unter dieser Bezeichnung werden relativ wenige Flaschen abgefüllt, weitaus weniger als unter der Bezeichnung IGT Toscana, einer weltweit äußerst bekannten Marke. Die DOC Sant’Antimo ist heut die einzige offene DOC und dient dem Ausbau der Weinberge von Montalcino, ohne dabei jedoch die Erzeugung von Brunello und Rosso di Montalcino zu erhöhen.

WEINWISSER: Durch die Fälscher-Skandale von 2008 und 2014 hat das Ansehen des Brunello gelitten, vor allem auch auf dem Hauptexportmarkt der USA. Was hat das Consorzio getan, um ähnliche Skandale künftig zu vermeiden?

Fabrizio Bindocci: Der Skandal von 2008 war im Anbetracht der Fakten und mit dem letzten Freispruch erster Klasse mehr eine Mediensache, die in jedem Fall nur einen sehr geringen Anteil der Produktion betroffen hat. Allerdings hätte die Angelegenheit für uns tatsächlich das Ende bedeuten können, wenn unsere Marke und die Qualität unserer Weine nicht so wären wie sie sind. Die Verbraucher haben das gewürdigt und unseren Brunello weiterhin gekauft und getrunken.

Der Skandal von 2014 ist hingegen ist der Beweis dafür, dass eine bekannte und weltweit geschätzte Marke wie unsere auch das Interesse von Fälschern erregt. Das Consorzio und Valoritalia, die Qualitätskontrollstelle, haben jedoch schnell und gut reagiert. Der Betrug wurde aufgedeckt und abgewendet, bevor der Wein auf den Markt gelangt ist. Zudem sind für eine erhöhte Transparenz bei der Versammlung im Juni 2014 einige technische Veränderungen bei den Bestimmungen erfolgt, in die ein neuer Artikel aufgenommen wurde, der die vorbeugende Kontrolle beim Verkauf von Trauben und offenem Wein einführt. Die Erzeuger müssen den Verkauf 48 Stunden vorher ankündigen, was die Arbeit der Kontrollstellen weiter erleichtert. Diesbezüglich sind wir die Vorreiter gegenüber den anderen italienischen Schutzverbänden.

WEINWISSER: Wie wird der Gefahr einer Brunello-Schwemme mit Billig-Angeboten bei den Discountern unter 10 € begegnet?

Fabrizio Bindocci: Die Erzeuger des Montalcino haben seit 2007 bewusst die pro Hektar erzeugbare Traubenmenge reduziert, um weniger, aber mit einer noch besseren Qualität zu produzieren. Dies hat dazu geführt, dass sich die Traubenpreise und die Preise des offenen Brunello-Weines erhöht haben und für den Jahrgang 2009 pro Hektoliter auf 900 bis 1000 € angestiegen sind.

Es gibt jedoch einige Winzer und Händler, die weiterhin billiger verkaufen, obwohl sie sich bewusst sind, dass ihr Gewinn trotz des Verkaufs großer Mengen stark reduziert ist. Unsere Arbeit besteht darin, einen Mindestpreis zu empfehlen und bei all unseren Weinen die Qualität zu erhalten, indem sowohl beim Großhandel (GDO) als auch auf dem Horeca-Sektor (Gastgewerbe) Kontrollen durchgeführt werden, damit der Endverbraucher informiert und vom Weinberg bis hin zur Flasche geschützt ist.

WEINWISSER: Herr Bindocci, wir danken für das interessante Gespräch.

Interview und Foto von Fabrizio Bindocci: Dr. Stefan Krimm

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