Lauria: Du bist vor rund einem Jahr von Bolgheri nach Margaux gegangen. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede kannst du feststellen?
Heinz: Bordeaux und Bolgheri erzeugen zwar Weine aus den gleichen Rebsorten, aber natürlich unterscheiden sich die Anbaugebiete in Bezug auf Klima, Böden und vieles mehr. Bordeaux hat zudem eine jahrhundertelange Tradition in der Erzeugung großer Weine, in Bolgheri ist diese Tradition seit knapp 40 Jahren im Aufbau. Bei Lascombes habe ich nun die Gesamtverantwortung für das Weingut und die Aufgabe, dass Lascombes wieder vollständig seinem Status als Second Cru Classé gerecht wird. Da kann einiges vom Pioniergeist, den ich vor knapp zwanzig Jahren in Bolgheri geschnuppert habe, sehr hilfreich sein.
Lauria: Ist es einfacher, in Bolgheri mit dem mediterranen Klima Wein zu machen als in Bordeaux mit seinem atlantischen Einfluss?
Heinz: Das sonnigere mediterrane Klima macht es tatsächlich einfacher, guten Wein zu produzieren, die Trauben erreichen regelmäßiger ein gesundes Maß an Reife. Im atlantischen Bordeaux braucht man dafür etwas mehr Aufwand. Um wirklich große Weine zu erzeugen, braucht man die Liebe zum Detail, aber auch eine gewisse Sensibilität, die notwendig ist, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es geht darum Weine zu erzeugen, die nicht nur hohe Qualität, sondern auch einen individuellen Charakter haben. Das ist in Bordeaux, in Bolgheri oder anderswo gleich schwer.
Lauria: Wie blickst du auf deinen ersten Jahrgang auf Château Lascombes zurück?
Heinz: Für mich ist 2023 der Jahrgang des Entdeckens: Nach 18 Jahren wieder in Bordeaux zu vinifizieren, die Eigenheiten de(r)s Terroir(s) von Lascombes zu erkunden. Einige Merkmale des Jahrgangs haben mich jedoch an Bolgheri erinnert, die Hitzewelle kurz vor der Ernte zum Beispiel. Das generell sommerliche und sonnige Wetter während der Lese haben mir den Einstieg «erleichtert». Faszinierend ist, dass trotz dieses ungewöhnlichen Wetters Weine mit unmissverständlichem Bordeaux-Charakter entstanden sind.
Lauria: Man schmeckt bei deinem ersten Wein ein Mehr an Finesse, Purity und ein anderes Tannin-Management. An welchen Stellschrauben hast du besonders gedreht?
Heinz: Mehr Präzision und Detail-Arbeit in allen Aspekten, von der separaten Lese aller Parzellen – oftmals sogar auch innerhalb einer einzelnen Parzelle – mit wirklich differenzierten Lesedaten, die sich über fünf Wochen erstreckt haben. Ebenso differenziert ging es im Keller zu, bei der jede einzelne Partie individuell nach Maß vinifiziert wurde, mit Maischestandzeiten zwischen zwei und vier Wochen, also generell etwas kürzer als das bisher bei Lascombes der Fall war. Sanfte Extraktion und kühlere Gärtemperaturen, um Transparenz und Schliff zu fördern.
Lauria: Wo willst du mit Lascombes hin?
Heinz: Wenn man in der Weinliteratur des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert nachliest, stellt man fest, dass Château Lascombes nicht nur als einer der edelsten Margaux- Weine angesehen wurde, sondern als einer der besten Seconds Crus. Dahin wollen wir Lascombes zurückbringen. Der Erstwein wird deshalb in der Zukunft wirklich auf den «historischen» Terroirs des Weinguts erzeugt werden, in denen schon 1855 Reben standen. Dort steht die Paarung Cabernet Sauvignon und Merlot auf tiefgründigen Kiesböden im Vordergrund. Das wird sich auch im Wein selbst widerspiegeln. Lascombes besitzt allerdings auch einige Bodentypen, die man eher nicht mit dem Médoc assoziiert, Lehmund kalkhaltige Böden und Kies auf einem Untergrund von kalkhaltigem Mergel.
Lauria: Auf Masseto hast du dir einen Namen mit Merlot gemacht. Gibt es auch Pläne, einen reinsortigen Merlot zu erzeugen?
Heinz: Auf diese Böden passt natürlich gut Merlot, was den hohen Anteil dieser Rebsorte im Weingut erklärt. Es ist spannend zu erkunden, was der Merlot auf diesen Terroirs hier in Margaux hervorbringen kann. Wir sind dabei zu experimentieren, mal sehen was daraus wird!