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Bertani – Der Amarone-Riese

Bertani – Der Amarone-Riese
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Bertani – Der Amarone-Riese

Es gibt nicht viele Weingüter in Italien, die über eine Wein-Bibliothek verfügen, die bis in die 1950er Jahre zurückreicht. Das renommierte Weingut Bertani aus dem Valpolicella hingegen kann dies ohne Weiteres und kredenzte während einer internationalen Roadshow im September 2023 im Zwei-Sterne-Restaurant Alois Dallmayr in München sechs ausgewählte Jahrgänge, von denen die meisten sogar noch erhältlich sind. Chefredakteur Giuseppe Lauria war bei der spannenden Raritätenverkostung dabei.

Das traditionsreiche Weingut Bertani liegt in Norditalien und verfügt über zwei historische Standorte: Grezzana, heutiger Hauptsitz des Unternehmens, und die Tenuta Novare in Arbizzano di Negrar im Herzen des Valpolicella- Gebietes, dem Geburtsort des Amarone della Valpolicella Classico.

Gegründet wurde es 1857 von den Brüdern Giovan Battista und Gaetano Bertani. Sie wurden vor allem für ihren sortenreinen Weinbau und ihr innovatives, modernes Erziehungssystem bekannt. Mit dem Erwerb der Tenuta Novare im Valpolicella Classico im Jahr 1957 konnte Bertani endlich seinen großen Traum verwirklichen: Einen «Wein für die Ewigkeit» zu produzieren, indem sie die dafür notwendigen hervorragenden Weinberge erwarben. Und so beschloss Cavalier Guglielmo Bertani 1958, seine Produktion auf trockene Weine umzustellen. Es war eine visionäre Entscheidung, die vom Markt lange nicht verstanden und goutiert wurde, und so blieb der Erfolg zunächst aus. Aber die Vision der Familie war klar, und sie behielt ihren Stil bei – ohne Trends zu folgen. Der unverwechselbare, konsistente und kohärente Bertani-Stil wurde über die Jahrzehnte bewahrt. Heute gehören die Weine zu den spannendsten und langlebigsten der Appellation. Der Stil ist weit entfernt von der heute populären Machart der reichen und opulenten Weine, die nicht selten mit einem süßlich-kompottigen Charakter sowie viel Kraft und Reife die Gaumen der Opulenz-Liebhabern begeistert. Der Amarone von Bertani ist hingegen eleganter, feinsinniger und vor allem reifefähig. Die vulkanischen Böden verleihen ihm einen sowohl mineralischen als auch salzigen Ausdruck. Dies zieht sich wie eine Signatur durch alle fünf Jahrzehnte in «The Library». Zudem kommt bei den alten Weinen ein Solera-Verfahren zum Tragen, das ihnen eine zusätzliche Dimension verleiht. Das einmalige historische Archiv umfasst 44 Recioto bzw. Amarone della Valpolicella Classico-Jahrgänge von 1958 bis 2013.

Jeder Jahrgang bringt die Besonderheiten der jeweiligen Jahreszeit mit sich, da Bertani die Trauben mit der «messa a riposo»-Technik trocknet: Die Trauben ruhen in Bambusgestellen, ohne äußere Konditionierung oder mechanische Eingriffe: Deshalb ist jedes Jahr anders, weil auch das Wetter während der Trocknungsphase einen Einfluss hat.

Um dieser erstaunlichen Sammlung den richtigen Wert zu verleihen, wurden alle Jahrgänge im Jahr 2022 von den beiden Masters of Wine Nick Jackson und Andrea Lonardi verkostet, bewertet und im Buch «The Library» beschrieben.

Nick und Andrea gingen alle Jahrgänge durch, wobei sie nicht jedem Jahrgang eine Bewertung zuordneten, sondern sie in vier Persönlichkeiten einteilten:

  • Überschwang: z.B. die Jahrgänge 1994, 2013
  • Sanftheit: z.B. 1973
  • Harmonie: z.B. 2008
  • Finesse: z.B. 1964

Amarone (noch) kein «Fine Wine»

Andrea Lonardi, im September 2023 noch Technischer Direktor von Bertani (Anm. d. Red. Lonardi hat das Unternehmen Angelini Estates im März 2024 verlassen) und frischgebackener Master of Wine, überraschte die Teilnehmer mit der Aussage, dass der Amarone della Valpolicella noch kein Fine Wine mit langer Historie sei: «Er muss noch seine eigene Identität finden, die an die Besonderheiten des Gebiets und der einzelnen Jahrgänge anknüpft und versuchen, die rein kommerziellen Ziele, die ihn bis heute angetrieben haben, endgültig zu überwinden»

Das seien die Gründe, die das Unternehmen dazu veranlasst hätten, seit 2022 in das Buchprojekt «The Library» zu investieren. Eine Enzyklopädie, die 64 Jahre Geschichte und 44 Jahrgänge umfasst (alle erhältlich). Eine Sammlung, die Cavalier Bertani mit visionärem Geschick ins Leben gerufen hat und die im Laufe der Jahre von der Gruppe Angelini weitergeführt wurde. Ziel war es, die Transparenz und Identität zu bewahren, die das Unternehmen auszeichnen und die den Amarone Bertani weltweit zu einem Spitzenwein gemacht haben. Nach der großartigen Verkostung von 44 Jahrgängen im September 2022 präsentierte Andrea Lonardi in München sechs Jahrgänge des Amarone della Valpolicella Classico: Einen für jedes Jahrzehnt, um einige der Jahrgänge zu repräsentieren, die als «überschwänglich» gelten (im Vergleich zu den «weichen», «harmonischen» und «feinen», die in der Veröffentlichung «Amarone della Valpolicella Classico» beschrieben werden). Denn jedes Jahr ist klimatisch und menschlich anders und muss respektiert werden, ohne zu erwarten, dass jedes Mal der beste Wein aller Zeiten herauskommt.

«Um guten Wein zu machen, muss man sich auch umsehen, nur so sieht man, wo man steht», sagt Andrea Lonardi.

So begannen wir mit dem Jahrgang 1964, der – weil er sich nicht verkaufte – zu einer Art «Solera- Wein» wurde. Das heißt, dem Wein wurde jedes Jahr ein wenig des neuen Jahrgangs hinzugefügt. Die Sherry-Reminiszenz ist unverkennbar, Kaffee- und Holznoten schwingen mit, im Mund ist er frisch und ausgesprochen würzig. Der Jahrgang erinnert mit seiner edlen Reife, den seidigen Tanninen und seiner dunkelwürzig- tabakigen Art mit einem Touch Liebstöckel an einen gereiften Bordeaux mit purem Hedonismus. Der 1973er hatte es nach dem delikaten Finessenstück etwas schwerer: Er zeigte sich kompakt, aber mit lebhafter und feinnerviger, durchaus burgundischer Art. Der 1980er war von der kühlen, regnerischen Saison geprägt, demnach deutlich straffer in der Struktur. Der 1994er zeigte eben diese «Exhuberance»: Kraft und Fülle. Der 2008er ist dagegen eleganter, harmonischer und weniger beladen, aber mit grandioser Würze. Und schließlich der 2013er, der gerade zum Markteintritt vorgestellt wurde. Ein präziser Wein, der eine neue Ära einschlägt. Er trug deutlich moderne Züge, ohne dabei mainstreamig zu sein. Hier wurde an Frische und Eleganz gefeilt. Und freilich ist er noch blutjung und mit sehr viel Potenzial ausgestattet. Fast acht Jahre Ausbau in slawonischer Eiche und ein Jahr in der Flasche – das alles, «um zu schützen, was wir tun», sagt Andrea Lonardi. Wiedervorlage in 2 bis 5 Jahren.

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