Liebe Weinwisser,
pünktlich zum Ende der Lese des ziemlich turbulenten 2024er Jahrgangs, halten Sie unsere Oktoberausgabe in den Händen. Sie ist vollgepackt mit vielen strahlenden und großartigen Weinen, die von Winzern erzeugt werden, die den Wetterkapriolen im vergangenen Jahr mit sorgfältiger Weinbergsarbeit, radikaler Qualitätsorientierung und Weitsicht getrotzt haben. Klar, das ging oft nur zulasten von Erträgen. Aber auch 2023 war es möglich, außergewöhnliche Weine zu machen, wenn man bereit war, Risiken einzugehen und auf Menge zu verzichten. Wie im Vorjahr bringen wir ein großes Österreich-Spezial, das anlässlich des «Single Vineyards Summits» neben den Weinen der «ÖTW» längst auch die Weine der berühmten Vinea Wachau sowie die der Steirischen Winzervereinigung «STK» umfasst. Im Vorjahr hatten wir dazu passend ein ausführliches Exklusivinterview mit Michael Moosbrugger, der in den vergangenen rund 20 Jahren maßgeblich die Klassifikation der Rieden vorangebracht hat und letztlich für deren gesetzliche Verankerung gesorgt hat. «Ein langer, steiniger Weg», der sich in vielerlei Hinsicht auszahlt.
2023 war bei unseren Nachbarn ein ähnlich herausforderndes Jahr wie bei uns, aber etwas anders gelagert: Trockenperioden, intensive Feuchtwetterphasen und mancherorts schwere Unwetter mit Hagel erforderten viel penible Arbeit in den Weingärten. Die Winzer wurden aber mit einem sehr schönen Herbst belohnt, die Lese begann vergleichsweise spät. Und ging vielerorts bis Ende Oktober. Ähnlich wie in Deutschland war auffallend, dass selbst innerhalb eines Gutes die Qualitäten eher heterogen waren. Ein Jahrgang des Winzers und des Terroirs.
Spannend ist nach wie vor der Kampf um Balance in der Wachau. Im Vorjahr schrieb ich, dass ich eine Trendwende hin zu mehr Frische und Feinheit beobachte. Das hat sich heuer wieder bestätigt, wenn auch nicht ganz so deutlich wie 2021, wo die höhere Säure dem Jahrgang geschuldet war. Dennoch ist es unübersehbar, dass die Top-Winzer neben dem bekannten, identitätsstiftenden «Wachauer Barock» zunehmend die Frische und Finesse anstreben. Stellvertretend für diesen Stil seien die Weine von Alzinger genannt, auch die Domäne Wachau, Rudi Pichler und Hirtzberger zeigen schlankere, straffe und linear gezogene Rieslinge, aber auch die Grünen Veltliner wirken etwas schlanker.
Als Teil 2 der Großen Gewächse bringen wir die besten Weine aus Franken sowie die besten weißen Burgunder GG, die wie in den vergangenen Jahren mein Kollege und Master Sommelier Frank Kämmer beurteilte. In Franken lobe ich einmal mehr die relativ homogene Qualität der Weine. Beim Silvaner ist Rudolf May ein sensationelles Triple gelungen: Seine beiden GGs aus dem Himmelspfad und aus dem Rothlauf sind einsame Spitze, flankiert durch seinen neuen Silvaner «Kniebrecher». Aus Franken kommt auch einer der besten Chardonnays: Sebastian Fürsts «R» ist zwar kein GG (weil in Franken nicht zugelassen), aber ein wahrlicher Grand Cru. Bei den weißen Burgundern GG gewinnt Hubers grandioser Chardonnay aus dem Schlossberg sowie der Weißburgunder von Kranz aus der relativ unbekannten Pfälzer Cru-Lage Kalmit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen wunderbaren goldenen Herbst mit vielen gemütlichen und genussvollen Weinmomenten.
Chefredakteur WEINWISSER